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Pressing im Fußball – aktiv verteidigen bis zum Ballgewinn

Pressing im Fußball heißt aktiv verteidigen und den Ballgewinn suchen. Als Trainer muss man mit seiner Mannschaft eine Strategie für das Pressing entwickeln. Die Pressing-Strategie muss zu den eigenen Fähigkeiten und der derzeitigen Situation der Mannschaft (Tabellenstand, Punkten müssen, Ausbildungsziele) passen. Und auch zum aktuellen Gegner bzw. dessen Taktik und Stärken und Schwächen.

Aspekte des Pressings im Fußball:

Ziel des Pressings im Fußball ist es, durch geschicktes planvolles taktisches Verhalten den Gegner so zu lenken und unter Druck zu setzten, dass der Ball gewonnen werden kann. In Ballnähe soll eine Überzahlsituation hergestellt werden. Diese wird dann durch aggressives Attackieren (oft auch: Doppeln) zum Ballgewinn genutzt. 

Beim Pressing sind die Aspekte Pressingauslöser, die Pressingarten, die Zonen in denen Pressing gespielt wird und das Lenken nach innen oder außen. Außerdem kann man verschiedene Abläufe von Pressingaktionen vorgeben. Z. B. ob der erste, der zweite oder auch erst der dritte Ball in einer bestimmten Zonen oder ein bestimmter Spieler attackiert wird.

Pressing wird (auch) vom Spielsystem bestimmt

Wichtig ist, in welcher mannschaftstaktischen Aufstellung man im Spiel und beim Pressing agieren will. Davon abhängig müssen dann die einzelnen Phasen des Pressing heruntergebrochen und erarbeitet werden. So ist es etwa beim Spiel mit drei Stürmern häufig so, dass der Gegner in die Mitte gelenkt wird (4-3-3 System), da man auf den Außenbahnen eher offener ist.

Bei einer Viererkette im Mittelfeld und zwei Stürmern bietet sich an, den Gegner nach außen anspielen zu lassen, um denn in einer zweiten Phase den Ball innen (Doppelsechs) zu gewinnen. Das 4-4-2-System im Fußball bietet ein gute Balance aus starker Mitte und Außenbahn, insbesondere, wenn ein Stürmer zusätzlich situativ das Zentrum verstärkt und das Pressing unterstützt.

Verschiedene Spielsysteme mit ihren Stärken und Schwächen begünstigen verschiedene Pressingarten und Pressingvarianten, weil bestimmte Räume und Positionen besser bzw. schlechter besetzt sind. Mehr darüber lest ihr in diesem Artikel:

Kompakte Grundformation für das Pressing

Entscheidend für das Gelingen des Pressing ist, dass die Spieler relativ nah beieinander spielen, d.h. dass die Abstände nicht größer als 8-12 Meter in der Breite und maximal 15 Meter in der Tiefe sind (Kompaktheit, Abbildung 1). Damit ist gewährleistet, dass sich die Spieler gegenseitig absichern und auch Überzahlsituationen herbeiführen können. Sind die Abstände zu groß, kommt ein Spieler ggf. zu spät, um einen Pass oder eine Ballannahme zu unterbinden.

Abbildung 1: Kompakte Grundformation | Grafik erstellt mit easy Sports-Graphics

Prinzipien des Pressings im Fußball:

Pressing ist Aufgabe der gesamten Mannschaft

Nur wenn alle Spieler mitmachen (direkt am Pressing beteiligte und ballferne), gelingt es, den Ball zu gewinnen ohne die Absicherung zu vernachlässigen.

Orientierung an Ball, Gegner und Position auf dem Spielfeld gleichzeitig. 

Durch diese Informationen lassen sich die zentralen Entscheidungen des Pressings treffen, vor allem, ob man die Pressingsituation auslösen oder lieber abwarten und das Pressing verzögern sollte.

Raum in Ballnähe verengen

Dafür muss man andere (ungefährliche) Räume frei lassen, doch nur so kann der Ballgewinn gelingen. In großen Räumen kann man keinen Druck auf den Gegner aufbauen. Entscheidend ist, dass man den Raum schnell verengt, damit der Gegner keine Chance hat, herauszuspielen. 

Überzahl oder mehr Zweikampfstärke* in Ballnähe haben

Bei Überzahl in Ballnähe sind die Chancen größer, den Gegner unter Druck zu setzen. Das kann allerdings aus gelingen, wenn man besonders zweikampfstarke Spieler in Ballnähe hat.

Spieloptionen (Passmöglichkeiten) des Gegners reduzieren

Man kann niemals alle Pässe des Gegners verhindern, aber man kann ihn dazu bringen, eher den gewünschten und ungefährlichen Pass zu spielen; z. B. weite Verlagerungen zustellen und nur Querpässe zulassen.

Gegenseitige Absicherung

Ohne Absicherung ist das Attackieren zu risikoreich. Abgesichert wird in Breite (gegen diagonale Verlagerungen) und Tiefe (Gegner setzt sich durch bzw. spielt steil).

Aktives Verteidigen statt Reagieren

Man erzwingt aktiv den Ballgewinn statt bloß auf gegnerische Aktionen zu reagieren, d. h. der Gegner wird bewusst gelenkt und dann aktiv attackiert.

*Es gibt Spieler die, wenn man sie in der eigenen Mannschaft hat, so geschickte und erfolgreiche Zweikämpfer sind, dass man nicht immer zusätzliche Spieler in Ballnähe benötigt. Hat man einen solchen Spieler in seiner Mannschaft, kann man auch Pressing spielen, ohne immer zu Doppeln oder mit mehreren Spielern zu attackieren.

Auslöser des Pressings

Den Spielern muss klar ist, wann sie das Pressing starten sollen. Beispielsweise bei einem Anspiel auf einen ganz bestimmten Spieler des Gegners (Pressingopfer), einem Pass in eine ganz bestimmte Zone, ein schlecht verarbeitetes Zuspiel (Stockfehler) oder auch generell bei einem Rückpass des Gegners. 

Wichtig ist nun, dass die Spieler der eigenen Mannschaft diese Schlüsselsituation für das Pressing schnell erkennen. Die Signale und die entsprechende schnelle Reaktion müssen im Training konsequent und kontinuierlich erarbeitet und verbessert werden. Die Spieler müssen auch wissen, wie sie sich zu verhalten haben, wenn das Pressing nicht funktioniert wie geplant.

Beispielhafte Pressingstrategie als Vorgabe:

„Wir attackieren direkt mit dem Anspiel nach außen den gegnerischen Außenverteidiger (auf beiden Seiten). Ausnahme: Wir erkennen, dass er den Ball schnell und sicher verarbeiten kann, dann lassen wir uns kompakt zurückfallen.“

Wichtig ist hier, dass man nicht in jeder Spielsituation bzw. durchgängig Pressing spielen kann. Es ist mental und körperlich extrem anstrengend. Sehr gute und eingespielte Mannschaften, schaffen es, die Intensität immer wieder zu verändern (und auch die Höhe, auf der sie angreifen) und so den eigenen Rhythmus ins Spiel zu bringen.

Pressingarten: Abwehrpressing, Mittelfeldpressing, Angriffspressing, Gegenpressing

Wichtig ist auch, wo und wie Pressing gespielt werden soll. Zuerst einmal sollte klar sein, wie der Gegner gelenkt wird (abhängig vom Spielsystem), d.h. welche Pässe zugelassen und verhindert werden sollen und wo dann der Ballgewinn erzielt werden sollen (außen oder im Zentrum, weit in der gegnerischen Hälfte bzw. eher in der Nähe der Mittellinie). 

Pressingzonen im Fußball
Pressingzonen im Fußball / erstellt mit easy Sports Graphics

Abwehrpressing 

Man steht tief in der eigenen Hälfte und versucht dort den Ball zu gewinnen. Nachteil: Bei Ballgewinn im Abwehrpressing ist der Weg zum gegnerischen Tor sehr weit. Dafür hat der Gegner wenig Raum, um zu kombinieren. Das Spiel konzentriert sich auf eine Spielfeldhälfte.

Mittelfeldpressing

Mittelfeldpressing spielt man in der Nähe der Mittellinie. Also etwa 15m in der gegnerischen Hälfte bis 15m in die eigene Hälfte. Mittelfeldpressing ist die am häufigsten gespielte Pressingvariante. Man hat eine gute Balance zwischen Konterchancen bei Ballgewinn und defensiver Sicherheit. 

Angriffspressing

Angriffspressing oder Offensivpressing spielt man weit in der gegnerischen Hälfte, im letzten Spielfelddrittel. Bei Ballgewinn ist man sehr nah am generischen Tor und kann ggf. schnell abschließen. Spielt sich der Gegner jedoch durch, hat er oft viel Raum für seinen Angriff.

Gegenpressing

Gegenpressing bedeutet, direkt nach Ballgewinn sofort wieder zu versuchen, den Ball zurückzugewinnen. Das Umschalten auf Defensive verfolgt also nicht das Ziel, erst die kompakte Grundformation wieder herzustellen. Sondern man möchte den Ball sofort wieder haben, um selbst einen Konter zu starten. Dazu muss sich die Mannschaft bei eigenem Angriff so positionieren, dass man bei Ballverlust sofort wieder Druck auf den Gegner ausüben kann. Man bereitet zum Gegenpressing schon bei eigenem Angriff die Attacke auf den gegnerischen Konter vor.

Pressing und Lenken: nach innen oder außen

Eine Frage, die man sich immer wieder stellen muss (wenn man eine Pressing-Strategie entwickelt), ist die, wo auf dem Feld man den Ball gewinnen möchte. Darauf ausgerichtet sollte dann auch das Lenken der eigenen Mannschaft beim Pressing ausgerichtet sein. Allen Spielern muss bei jedem gegnerischen Angriff klar sein, wohin der Gegner gelenkt werden soll.

Für den Ballgewinn im Zentrum spricht, dass von hier aus das Einleiten einer Kontersituation leichter ist bzw. dass schnelle Spielverlagerungen besser möglich sind. Misslingt das Pressing im Zentrum, dann erhält der Gegner unter Umständen eine Kontermöglichkeit in zentraler Position. Die „sichere“ Pressing-Variante ist demnach der Versuch, den Ball auf der Außenposition zu gewinnen, da auch bei Misslingen der Situation der Gegner einen weiten Weg zum Tor hat. Wenn man allerdings nach außen verteidigt, kann es passieren, dass man mehr Bälle auf seine Kette gespielt bekommt.

Lenken beim Pressing: Die Guten nach innen, die Schlechten nach außen

Ich selbst habe als Trainer die Erfahrung gemacht, dass man das als Faustregel ganz einfach von der relativen Leistungsstärke der Mannschaft abhängig machen kann, zumindest im Amateur- und Jugendbereich. Hat man eine eher schwache Mannschaft, dann sollte man den Gegner möglichst nach außen lenken. Das ist z. B. ein Thema im unteren Amateurbereich. Mit einer guten Mannschaft kann man mehr Risiko eingehen, d. h. den Gegner durchaus nach Innen lenken um dann schnelle Gegenangriffe aus dem Zentrum zu starten.

Wenn die Mittelachse fehlt, wird es schwierig

Meine Erfahrung ist, dass eher schwache Mannschaften auch nicht viel mit einem Ballgewinn in der Mitte anfangen können. Viele gute und längerfristig erfolgreiche Mannschaften habe eine defensive Stabilität insbesondere durch eine sehr gute Mittelachse (Innenverteidiger – Sechser) oder einen einen stabilen zentralen Block. Das ist genau das, was eher schwachen Mannschaften häufig fehlt. Ein solcher Block „beherrscht“ oft die torgefährliche Zone.

Kennt man den Gegner sehr gut, kann man natürlich das Verhalten auch von dessen Fähigkeiten abhängig machen. Hierzu benötigt man aber eine gut eingespielte und flexible Mannschaft, die beide Varianten beherrscht. Noch einmal die Faustregel zur Pressingstrategie: die Schlechten nach außen, die Guten nach innen.

Hier Infos zum Doppeln innen und außen:

Ablauf des Pressing im 4-4-2

1. Stürmer (11) lenkt den Gegner nach außen (Pass auf den Außenverteidiger provozieren), äußerer Mittelfeldspieler (7) läuft offensiv an. Er lenkt den Gegner in die Mitte (Risikopass ins Zentrum oder Dribbling nach innen), der Rest der Mannschaft rückt nach innen ein (Abbildung 2).

Abbildung 2: Nach außen lenken, attackieren | Grafik erstellt mit easy Sports-Graphics

2. (11) stellt den Rückpass zum Innenverteidiger zu(!), gleichzeitig macht Stürmer (9) die Mitte zusätzlich stark, im Zentrum gewinnen (10), (6) und (9) gemeinsam den Ball (Abbildung 3).

Pressing - Ballgewinn im Zentrum
Abbildung 3: Pressing – Ballgewinn im Zentrum | Grafik erstellt mit easy Sports-Graphics

3. Nach Ballgewinn schnelles Umschalten, um die Kontersituation (5 gegen 5) zu nutzen (Abbildung 4).

Abbildung 4: Umschalten/Konterangriff | Grafik erstellt mit easy Sports-Graphics

Das Verhalten der Stürmer beim Mittelfeldpressing kann auch unterschiedlich gestaltet werden, wie im Artikel Mittelfeld-Pressing: Stürmer und Zehner oder zwei Stürmer? aufgezeigt wird.

Dies ist nur ein möglicher Ablauf, eher eine Standardvariante des Pressings. Hier kann man als Trainer an vielen kleinen Details arbeiten vom Anlaufen über das Lenken bis hin zur Positionierung und dem Zweikampfverhalten sowie der Absicherung der Pressingaktion.

Absicherung, falls das Pressing nicht klappt

Es kann immer passieren, dass das Pressing nicht zum Ballgewinn führt und der Gegner sich durchspielt. Da Pressing mit Risiko verbunden ist, muss die Mannschaft dann schnell reagieren. Wichtig ist, dass man (je nach Spielsituation / Spielstand unterschiedlich) darauf achtet, hinter den Pressinglinien gut aufgestellt zu sein (Absicherung). Das gilt vor allem, wenn man sehr hoch / sehr weit vorne presst (Angriffspressing oder hohes Mittelfeldpressing).

Das Verhalten in dieser Situation ist grundsätzlich gleichartig: Versuchen, den Gegenangriff des Gegners schnell zu unterbrechen (geschicktes Anlaufen und zum Rückpass zwingen bzw. auch taktisches Foul). Dann schnellstmöglich wieder hinter den Ball kommen (alle Spieler der Mannschaft), den Gegner vom Tor wegdrängen. So hat man Zeit, wieder in die kompakte Grundformation zu kommen und geordnet zu verteidigen. Eine weitere Möglichkeit zu reagieren ist das oben beschriebene Gegenpressing.