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Gegenpressing im Fußball – Erklärung und Training

Das Gegenpressing im modernen Fußball ist eine Taktik, die die Art und Weise des Spiels nachhaltig beeinflusst. Spielen mit Gegenpressing betrifft nicht nur die Defensive, sondern beeinflusst den gesamten Verlauf eines Spiels über alle Spielphasen. Es ist dieser gezielte Druck auf den Ball, der es Mannschaften ermöglicht, den Ball innerhalb von Sekunden nach dem Ballverlust zurückzuerobern und den Gegner unter konstanten Druck zu setzen. Doch was steckt hinter dieser Taktik? In diesem Artikel wird der Begriff des Gegenpressings genauer beleuchtet und erklärt. Anschließend werden 3 aufeinander aufbauende Übungen bzw. Trainingsformen gezeigt, die das Gegenpressing trainieren sollen.

Inhalt:

Erklärung Gegenpressing

Gegenpressing, auch als Pressing nach Ballverlust oder Gegenpressen bezeichnet, ist eine taktische Fußballstrategie, bei der eine Mannschaft unmittelbar nach dem Verlust des Balls aggressiv versucht, ihn zurückzuerobern. Das passiert, bevor der Gegner die Möglichkeit hat, sich zu organisieren oder den Ball kontrolliert weiterzuspielen. Ziel des Gegenpressings ist es, den Ball so schnell wie möglich zurückzuerobern, um den Druck auf den Gegner aufrechtzuerhalten und mögliche Gegenangriffe zu verhindern. Gleichzeitig sollen durch Ballgewinne in der Nähe des gegnerischen Tores Torchancen kreiert werden.

Gegenpressing: Schlüsselkonzepte und Prinzipien

Effektives Gegenpressing hat einige typische Voraussetzungen und Prinzipien:

  • Schnelles Reagieren: Nach dem Verlust des Balls reagiert die Mannschaft schnell und aggressiv, um den Ball in der Nähe des Ballträgers zurückzugewinnen.
  • Kompaktheit: Spieler arbeiten eng zusammen, um den Raum für den Gegner in Ballnähe zu verengen und ihm wenig Zeit und Raum zu geben, um den Ball zu spielen.
  • Kollektiver Druck: Mehrere Spieler drängen gleichzeitig auf den Ballführenden, um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Balleroberung zu erhöhen.
  • Abdecken der Passwege: Weitere Spieler in Ballnähe decken die möglichen Passwege des Gegners ab, um die Passoptionen des Ballführenden zu begrenzen.
  • Fokus auf Schlüsselspieler und Pressingopfer: Oft konzentriert sich das Gegenpressing auf die entscheidenden Spieler des Gegners, um deren Einfluss auf das Spiel zu minimieren. Außerdem können sogenannte „Pressingopfer“ ausgemacht werden, die besonders aggressiv angelaufen werden, wenn sie ihrerseits gerade den Ball gewonnen haben. 
  • Wiederaufbau des Spiels: Wenn der Ball zurückerobert wird, versucht die Mannschaft, schnell in den Angriffsmodus überzugehen, da der Gegner meist unsortiert ist. Ergibt sich keine Möglichkeit für eine schnelle Spielfortsetzung, kann das Spiel über die eigenen Aufbauspieler neu eröffnet werden.

Trainingsübungen und Spielformen zum Gegenpressing

Gegenpressing trainiert man in Spielformen und sehr spielnahen Trainingsformen, weil nur so die hohe Intensität des Wettkampfes simuliert werden kann. Außerdem lernen die Spieler so, schnelle Entscheidungen zu treffen und auf Veränderungen von Spielsituationen zu reagieren.

Übung 1: Drei-Farben-Spiel

Trainingsform: Drei-Farben-Spiel im 8 gegen 4
Trainingsform: Drei-Farben-Spiel im 8 gegen 4 | Grafik erstellt mit easy Sports-Graphics

Das Drei-Farben-Spiel lässt sich für verschiedene Trainingsschwerpunkte verwenden, so auch beim Gegenpressing. Gelb spielt mit Blau gegen Rot auf Ballhalten im 8 gegen 4. Rot versucht, über Ball- und Raumdruck den Ball zu gewinnen. Nachdem Rot den Ball erobern konnte, geht die Mannschaft, die den Ball verloren hat bzw. für den Ballverlust verantwortlich war, ins direkte Gegenpressing. Hier ergibt sich das Gegenpressing direkt aus der Spielform, weil die Mannschaft mit Ballverlust sofort wieder verteidigen muss.

Variationen: 

  1. An jeder Ecke des Spielfeldes können kleine Mini-Tore aufgebaut werden. Nachdem die Mannschaft in Unterzahl den Ball erobern konnte, versuchen sie so schnell wie möglich in eines der Mini-Tore passen zu können. Gleichzeitig gehen die 8 restlichen Spieler ins direkte Gegenpressing, um den Torerfolg zu verhindern.
  2. Einführung einer Begrenzung an Ballkontakten pro Spieler für die ballhaltenden Teams.
  3. Nach einer gewissen Anzahl an Pässen dürfen die ballhaltenden Teams ebenfalls mit einem Pass in ein Mini-Tor einen Punkt erzielen. Das sorgt dafür, dass die verteidigende Mannschaft aktiv bleiben muss.
  4. Noch schwieriger wird es, wenn die beiden Mannschaften in Ballbesitz Vorgaben haben, wen sie mit dem nächsten Pass anspielen dürfen, z. B. Blau- Rot – Blau -Rot.

Coaching:

  • Das Spielfeld sollte zunächst von der Größe her auf die Anzahl der Spieler abgestimmt werden.
  • Spieler pushen, ins direkte aggressive Gegenpressing zu kommen (aktives begleitendes Coaching von außen)
  • Kollektives Pressen der gesamten Unterzahl-Mannschaft fordern
  • Kopfloses Anrennen einzelner Spieler verhindern, das Kollektiv fördern.

Übung 2: Gegenpressing im 6 gegen 4

Trainingsform: Gegenpressing im 6 gegen 4 trainieren
Trainingsform: Gegenpressing im 6 gegen 4 trainieren | Grafik erstellt mit easy Sports-Graphics

Jede Aktion im Spiel startet beim Anspieler zwischen den beiden kleinen Toren. Dieser Anspieler kann entweder ein Trainer oder ein weiterer Spieler sein. Nach Zuspiel müssen die Angreifer den Torabschluss in einem 6 vs. 4 suchen. Erobern die Verteidiger in Unterzahl den Ball, können sie diesen entweder in eines der kleinen Tore passen oder zum Anspieler zurückspielen. Bei einem Torerfolg der Angreifer erhalten diese 1 Punkt.

Die Verteidiger wiederum erhalten für den Pass in eines der kleinen Tore 3 Punkte und für den Pass zum Anspieler 2 Punkte. Nachdem die Angreifer den Ball verloren haben, müssen diese in ein direktes Gegenpressing kommen, um alle drei Optionen der Verteidiger unterbinden zu können und bestenfalls selbst erneut zum Abschluss zu kommen. 

Variationen: 

  1. Angreifer müssen in der eigenen Spielhälfte direkt spielen
  2. Kontaktbegrenzung für Angreifer 
  3. Zeitbegrenzung für Angreifer
  4. Variation der Punktevergabe, je nachdem, was man provozieren will

Coaching:

  • Verteidiger, Angreifer und gegebenenfalls Anspieler nach einem Durchgang (3-4 Minuten) wechseln. Jedoch besteht auch die Möglichkeit, die Übung positionsspezifisch durchzuführen. Aber der C-Jugend sollte man positionsspezifischer Arbeiten.
  • Angreifer coachen, dass sie 1. eine schnelle Rückeroberung des Balles erzielen wollen, also nicht in die Tiefe fallen sollen und 2., dass sie einen Torabschluss der Verteidiger unbedingt verhindern müssen. 

Übung 3: Gegenpressing in großer Spielform 8 gegen 8

Spielform zum Gegenpressing im Fußball im 8 gegen 8
Spielform zum Gegenpressing im 8 gegen 8 | Grafik erstellt mit easy Sports-Graphics

Diese Spielform ist eine Fortsetzung bzw. Erweiterung der vorherigen Übung. Sie ist jedoch dabei von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Spieler abhängig. Über die Hälfte eines Spielfeldes wird im 8 vs. 8 gespielt. Die Spieleröffnung erfolgt immer bei einem Innenverteidiger. Dieser schlägt einen Flugball zu einem der gegnerischen Außenverteidigern. In dem Moment, in dem der Spieler den Ball annimmt, setzen die Gegenspieler zum Gegenpressing an. Das Spiel bleibt so lange am Laufen, bis der Ball im Aus ist oder es einen Torerfolg gab. 

Auch bei normalem Aufbau soll die Mannschaft, die den Ball verliert, so schnell wie möglich in ein sinnvolles (keine völlig freien Bälle anlaufen) Gegenpressing gehen.

Variationen:

  1. Der Ball darf auch auf einen der gegnerischen Innenverteidigern gespielt werden.
  2. Zeitliche Begrenzung der einzelnen Angriffe, um schnelle Torabschlüsse generieren zu können.
  3. Abwechselnde Flugbälle der beiden Teams bzw. das Team mit Torerfolg bekommt/spielt den Ball.
  4. Freier Spielaufbau / freies Spiel in der Spielfeldhälfte mit der Vorgabe: Gegenpressing

Coaching:

  • Am besten positionsspezifisch trainieren lassen, um an den Abläufen innerhalb der Mannschaft feilen zu können. Dafür ist es auch gut, Teile der Mannschaft so spiele zu lassen, wie sie auch im Wettkampf zusammenspielen würden. Beispiel: Viererkette oder Mittelfeldkette in „richtiger“ Besetzung.
  • Auch nach längerer Dauer des Spiels und damit verbundenen vielen Ballbesitzwechseln immer wieder an geschlossenes aggressives Gegenpressing erinnern.
  • Stoppen von Spielsituationen möglich, um Spielern situationsspezifisch Anweisungen geben zu können. 
  • Die Positionierung vor dem Ballverlust ist entscheidend für den Erfolg der Gegenpressingaktion. Sobald die Mannschaft in Ballbesitz zu weit aufgefächert ist, funktioniert das Gegenpressing im Normalfall nicht mehr, weil die Räume zu groß sind.
  • Die Absicherung der Gegenpressingaktion (wer geht drauf, wer sichert) definieren und trainieren lassen, damit man nicht überspielt wird. Die Form der Absicherung ist abhängig vom Spielsystem.

Fazit und Voraussetzungen

Das Gegenpressing ein hohes Maß an Fitness, taktischem Verständnis und Koordination zwischen den Spielern erfordert. Damit ist klar, dass dies nur über ausreichend Training der Fitness sowie der Abläufe erfolgreich sein kann. Es kann effektiv sein, um den Ball in gefährlichen Bereichen des Spielfelds zurückzuerobern und den Gegner unter Druck zu setzen, wodurch die Chancen für erfolgreiche Ballgewinne und Konterangriffe erhöht werden.

Teams wie der FC Liverpool unter Jürgen Klopp und der FC Bayern München ehemals unter Hansi Flick sind bekannt für ihre effektive Anwendung des Gegenpressings auf höchstem Niveau.