Spielaufbau, Umschalten, Torchancen herausspielen im eigenen Spielsystem. Sobald man die Defensive im neuen Spielsystem stabilisiert hat kann man sich dem Angriff im Spielsystem beschäftigen.
Auch hier sind zwei Themenkomplexe unbedingt notwendig, die eng miteinander verknüpft sind:
- Der Spielaufbau aus der eigenen Abwehr und
- Das Herausspielen von Torchancen und letztendlich auch der Torabschluss.
Angriffstaktik ist schwieriger zu trainieren als Abwehrtaktik
Wichtig zu beachten bei Offensivthemen ist, dass man viel weniger feste Verhaltensvorgaben machen kann. Entscheidend ist es, den Spielern im aktuellen Spielsystems aufzuzeigen, welchen Varianten möglich und sinnvoll sind (mit dem eigenen Spielermaterial). Im Spiel am Wochenende müssen die Spieler dann situativ richtig entscheiden, was sie umsetzen.
Offensivtraining für ein Spielsystem läuft also erheblich freier ab und kann somit auch schlechter vom Trainer gesteuert gesteuert werden als Defensivtraining. Man bringt die Spieler so weit, dass sie in typischen Spielsituationen einige mögliche Varianten zur Verfügung haben, die sie dann abrufen können. Das heißt, jeder Spieler in der Mannschaft kennt mögliche und taktisch sinnvolle Lauf- und Passwege.
Um die Spieler hier flexibel zu machen, sollte man im Training das Sparringsteam möglichst in verschiedenen Spielsystemen spielen lassen. Denn ein Spielzug, der gegen ein Spielsystem mit Mittelfeldraute funktioniert, klappt gegen ein flaches 4-4-2 nicht unbedingt. Der Trainer sollte seinen Spielern immer wieder die Schlüsselsituationen aufzeigen, die eine taktische Handlung auslösen (z.B. Außenspieler wird kurz in den Fuß angespielt => Außenverteidiger hinterläuft automatisch).
Training des Spielaufbau im gewünschten Spielsystem
Das Training des Spielaufbaus aus einem bestimmten Spielsystem heraus ist ein relativ komplexes Thema, bei dem man sich auch sehr leicht verkünsteln kann. Grundlegend kann ich natürlich über das Zentrum und über Außen aufbauen, was jeweils Vor- und Nachteile hat. Ich kann die Außenverteidiger weit nach vorne schieben und einen Sechser zwischen die Innenverteidiger zurückziehen.
Außerdem kann sich ein Sechser auf der Halbposition den Ball abholen, um eine Pressingsituation auf Außen zu umgehen. Darüber hinaus kann ich mit langen oder kurzen Bällen oder einer Mischung aus beidem agieren. Dazu kommt, dass jedes Spielsystem hier noch seine Eigenheiten hat, die es zu nutzen und zu beachten gilt, immer auch in Abhängigkeit von den Spielern, die einem Trainer zur Verfügung stehen.
Am besten trainiert man den Spielaufbau im 11 gegen 11, weil man ja relativ schnell in eine Situation kommt, in der man in die Phase des Herausspielens von Torchancen im Spielsystem übergeht. Fehlen dann Spieler in der eigenen Mannschaft, dann muss man die Spielform an dieser Stelle „abbrechen“, was nicht sonderlich zielführend ist. Muss man reduzieren, dann sollte man sich genau überlegen, welche Position des Spielsystems man wegnimmt. Klammert man einmal die Spielverlagerung aus (obwohl sie gegen ballorientierte Spielsysteme oft entscheidend ist), so kann man ggf. den Aufbau über eine Seite trainieren lassen und die Spieler der anderen Seite wegnehmen. Baut man über das Zentrum auf, so ist es u.U. möglich, die beiden Außenverteidiger einzusparen.
Training des Angriffsspiels/
Herausspielen von Torchancen im neuen Spielsystem
Das Herausspielen von Torchancen ist die zweite Phase des Offensivspiels. Hat man den Spielaufbau gemeistert, das heißt hat man einen kontrollierten Ballbesitz in der Mittelfeldzone, möchte man im nächsten Schritt ein Tor erzielen. Offensivtaktische Varianten gibt es wie Sand am Meer, jeweils vom System abhängig: Steil-Klatsch, Spiel über Dritte, Doppelpass, Hinterlaufen, Dribbling, Spielverlagerung, Kombinationsspiel, etc.
Die notwendigen Laufwege und Passfolgen kann man vorbereitend durchaus mit Übungsformen zum Passspiel einführen (etwa im Aufwärmen). Die Spieler lernen so ohne Gegnerdruck die Varianten kennen, die sie später unter Zeit- und Gegnerdruck anwenden sollen. Um aber die Entscheidungsfähigkeit der Spieler zu schulen und ihre Flexibilität in verschiedenen Situationen zu verbessern, muss unbedingt auch in großen Spielformen trainiert werden (siehe unten).
Schnelles Umschalten von Abwehr auf Angriff
Im aktuellen Fußball ist schnelles Umschalten auf Angriff (Kontern) von herausragender Bedeutung, weil die defensive Organisation vieler Mannschaften nahezu perfekt funktioniert. Also ist man darauf angewiesen, kleinste Lücken in der Defensivstruktur bzw. Fehler des Gegners sofort auszunutzen, um durch einen schnelle Konter Tore zu erzielen.
Prinzipien bei Ballgewinn:
- Querpässe vermeiden, schnell tief spielen, wenn möglich
- sofortiges Anlaufen in den Rücken der Abwehr
- mehr als 7-8 Sekunden Zeit hat man nicht bis zum Torabschluss,
wenn der Gegner seinerseits sofort auf Abwehr umschaltet.
Trainingsformen für Spielaufbau und Angriffsspiel:
Das Training des Spielaufbaus kann vorbereitend in einem 6 gegen 6 trainiert werden. Hierbei spielen z.B. die Viererkette und zwei Sechser gegen zwei Stürmer und ein Vierermittelfeld. Das Ziel kann etwa sein, die Mittellinie kontrolliert zu überspielen oder ein Pass- bzw. Dribbeltor zu treffen. Grundlegende Möglichkeiten sind das Freispielen eines Außenverteidigers (Spielaufbau über Außen) oder der gezielte Pass auf einen der Sechser, der dann weiterspielt. Natürlich können auch Reihen überspielt werden, gerade gegen gegnerisches Mittelfeldpressing, zum Training braucht man dazu aber mehr Spieler. Das heißt, hier ist das 11 gegen 11 (siehe oben) unbedingt nötig, um spielnah zu trainieren.
Für ein mannschafttaktisches Training des Offensivspiels bzw. der Herausspielens von Torchancen, das beide Seiten und so auch die Möglichkeit der schnellen Spielverlagerung berücksichtigt, ist das 8 gegen 8 (mit positionsspezifischer Aufstellung) ein gute Trainingsform. Einzusparen sind hier auf der einen Seite die Innenverteidiger, die beim Spielaufbau noch entscheidende Spieler sind, auf der anderen Seite die Stürmer, die in der Defensive häufig keine entscheidende Funktion mehr erfüllen (vom Mittelfeldpressing mal abgesehen).
Auch hier ist es wichtig zu beachten, in welchen Grundformationen beide Mannschaften agieren soll. Denn das Angriffsspiel gegen ein 4-3-3-System wird wahrscheinlich eher über den Flügel laufen als gegen ein klassisches 4-4-2-System. Auch hier natürlich immer abhängig von den Stärken und Eigenschaften des eigenen Spielsystems. Je nach Strategie beim Spielaufbau kann hier der erste Ball auch vorgegeben werden (z.B. kurzes Anspiel auf den Sechser).
Erschweren kann man die Trainingsformen, indem man den Raum verkleinert und die Spieler unter Zeitdruck setzt bzw. die Zahnlenverhältnisse verändert. So ist z.B. das Offensivspiel im 8 gegen 9 durchaus realistisch, aber eben auch schwerer. Durch Vergrößerung des Raumes und durch mehr Spieler in der Offensive kann man das Training erleichtern. Anfangs, wenn neue Spielzüge eingeübt werden sollen, kann das sehr sinnvoll sein.
Das neue Spielsystem kann kommen!
Nun, die Elemente sind klar, die Übungen eigentlich immer die gleichen, also nichts wie ran ans Werk. Denn am Ende ist ein Spielsystem nicht nur wie ein Puzzle sondern fast auch wie ein kleines (oder großes) Kunstwerk, wenn es funktioniert. Und manchmal, leider viel zu selten, kann man sich als Trainer ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen, wenn man sieht, wie wohl sich Spieler in ihrer Rolle fühlen können, wenn sie ihre Stärken perfekt einsetzen können.
Eine kleine Warnung zum Schluss: Alles, was man sich an Spielsystem auf der Taktiktafel zusammenschustert, muss dem Realitätscheck standhalten. Und ein guter Trainer ist ehrlich genug zu sich selbst, Entscheidungen zurückzunehmen und zu verändern, wenn es partout nicht klappen will mit den taktischen Vorstellungen.
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