Der DFB setzt die Anforderungen für die Teilnahme und das Bestehen von Trainerlehrgängen für den Leistungsbereich (d. h. B-Lizenz, DFB-Elite-Jugend-Lizenz und A-Lizenz) immer höher. Damit soll die Qualität der fußballerischen Ausbildung im Leistungs- und Spitzenfußball weiter gesteigert werden. Gleichzeitig sollen natürlich dennoch möglichst viele Trainer ausgebildet werden, denn mehr gute Trainer mit Trainerschein zu haben, heißt, mittel- bis langfristig noch mehr gute Spieler ausbilden zu können.
Aber natürlich sind die hohen Anforderungen auch abschreckend für viele, die sich ihrer eigenen Fähigkeiten als Trainer noch nicht vollends bewusst sind bzw. die aufgrund ihrer eher bescheidenen fußballerischen Fähigkeiten keine Teilnahmechance sehen (Stichwort Eignungstest).
Gehen wir einmal davon aus, dass man das Fähigkeitenspektrum eines Fußballtrainers grob in Fachkompetenz, Methodenkompetenz und Sozialkompetenz unterteilen kann. Dann muss man, wenn man ein bisschen Erfahrung mit Trainerlehrgängen hat, kritisch anmerken, dass die Trainerausbildung größtenteils auf den Bereich der Fachkompetenz, ansatzweise noch auf die Methodenkompetenz, aber kaum auf die Sozialkompetenz eingeht.
Schade, aber logisch: gerade der Bereich Sozialkompetenz ist dermaßen individuell und schwierig zu erfassen, dass das zeitlich und organisatorisch im Rahmen eines ein- bis dreiwöchigen Lehrgangs mit 20-30 Teilnehmern einfach nicht machbar ist.
Aber schauen wir uns einmal den Bereich Fachkompetenz an. Ich stelle mal eine These auf:
Lizenzierte Trainer sind besser als Trainer ohne Lizenz
Oha, jetzt kriege ich bestimmt ganz viele böse Kommentare… Aber mal ganz vorsichtig gesagt: im Allgemeinen sind Trainer, die einen Trainerschein haben, fachlich und ansatzweise auch bezogen auf die Methodenkompetenz besser als Trainer ohne Schein. Hier möchte ich aber ganz klar betonen, dass es immer wieder Ausnahmen gibt, die sich mit viel Fleiß und Eifer sehr vieles selbst beibringen. Insofern ist der Trainerschein ein Indiz für die fachliche Qualität, die aber immer einer kritischen Einzelfallprüfung (ein schöner Ausdruck) unterzogen werden sollte. Es ist einfach so dass ein Trainerlehrgang einen Trainer mit sehr viel Wissen ausstattet, das er dann nur noch sinnvoll im Trainingsalltag anwenden und umsetzen muss.
Methoden- und Sozialkompetenz kommen zu kurz
Trainer ist man mit seiner ganzen Persönlichkeit und sich verstellen funktioniert meistens nicht… Aber gerade die wichtigen Eigenschaften und Fähigkeiten eines Fußballtrainers sind diejenigen, die auf Trainerlehrgängen am wenigsten vermittelt werden können: Methoden- und Sozialkompetenz. Es geht eben immer sehr zentral um die fachlichen Inhalte: Techniktraining, Taktiktraining, Periodisierung, Altersspezifisches Training, Konditionstraining. Alles andere muss man sich selbst erarbeiten.
Aber wer wirklich als Trainerpersönlichkeit besser werden will, der macht das eben auch. NLP (Neurolinguistisches Programmieren)- und Rhetorikkurse werden ja auch an den Volkshochschulen oder anderen Weiterbildungseinrichtungen angeboten. Diese sind für ambitionierte Fußballtrainer dringend angeraten, denn der fachliche Bereich macht nur einen Teilaspekt einer erfolgreichen Trainerpersönlichkeit aus. Und natürlich profitiert man am allermeisten vom permanenten Gespräch mit Trainerkollegen.
Warum also überhaupt einen Trainerschein machen?
Nicht gerade förderlich für die Motivation ist auch, dass viele Vereine den Trainern keine Unterstützung für den Trainerschein bieten, vor allem und gerade auch im Jugend-Bereich. Wieso sollte sich also ein Trainer fortbilden, wenn er das Gefühl hat, dem Verein ist das nicht wichtig? Die Antwort ist relativ einfach: Weil er es nicht für den Verein macht, sondern für sich selbst!
Wenn man sich also wirklich persönlich weiterentwickeln will, ist ein Trainerschein als fachliche Basis absolut hilfreich. Natürlich kann es auch andere Gründe geben, einen Trainerschein zu machen, die dem Trainer quasi von Außen aufgezwungen werden. Hier einige zusammengefasst:
Externe Gründe für einen Fußball-Trainerschein:
- Berufswunsch Fußballtrainer
- Pflicht (je nach Spielklasse der Mannschaft, z.B. auch für Junioren-Bundesligamannschaften)
- Forderung des Vereins, der leistungsorientiert arbeiten will
Kosten für einen Trainerschein – eine Investition in die Zukunft
Ein Trainerschein im Leistungsfußball kostet richtig Geld (Einzelheiten zu den Kosten). Ist der Teamleiter (Lizenzvorstufe) mit 40 Euro noch recht erschwinglich, sind für die C-Lizenz Leistungsfußball schon etwa 275 Euro fällig. Die B-Lizenz schlägt mit rund 1.100 Euro zu Buche und für eine DFB-A-Lizenz darf man über 1.300 Euro investieren. Fahrt- und Verpflegungskosten sind hier natürlich noch nicht eingerechnet. Das ist zunächst einmal viel Geld, das erst einmal wieder erwirtschaftet werden muss mit dem Trainerjob.
Das sollte allerdings nicht allzu schwer fallen, da Vereine für Trainer ab der C-Lizenz aufwärts bereits eine finanzielle Unterstützung erhalten, die im Normalfall an die Trainer weitergegeben wird. Wer geschickt verhandelt, kann dazu noch den ein oder anderen Euro zusätzlich heraushandeln. Zum investierten Geld kommt, zumindest bei Arbeitnehmern, noch die ein oder andere Woche Jahresurlaub, die in der Sportschule verbracht werden darf.
Und es lohnt sich doch!
Ganz nüchtern betrachtet sprechen einige Gründe dagegen, die Mühen eines leistungsorientierten Trainerscheins auf sich zu nehmen, wenn man ihn nicht unbedingt braucht. Dem kann ich aus meiner Erfahrung entgegenhalten, dass die Trainerlehrgänge Erlebnisse sind, die ich nicht missen möchte, weil ich einfach unglaublich viele interessante Menschen kennengelernt habe. Jeder von ihnen hat völlig unterschiedliche Erfahrungen mitgebracht, von Kindertrainern mit wenig eigener Spielerfahrung bis hin zu 50 A- Länderspielen und WM-Teilnahmen war so ziemlich alles dabei.
Und mit diesen Kollegen ergibt sich eine Vielzahl spannender und inspirierender Gespräche, in denen man viel lernen kann. Da diskutieren überragende Fußballer mit ziemlich schlechten Fußballern auf Augenhöhe, ohne dass einem das komisch vorkommt. Diese besondere Atmosphäre kann kein Buch und keine DVD der Welt und insofern auch kein Selbststudium ersetzen.
Natürlich kommt der ein oder andere an einen Punkt, an dem er das Kärtchen zücken und vorzeigen muss. Aber eigentlich ist es nicht die Lizenz an sich, sondern der Weg dahin, das gemeinsame Lernen, der Erfahrungsaustausch mit anderen Trainern, die Gruppenarbeiten, dieser Zwang, sich den ganzen Tag mit Fußball zu beschäftigen, die den Reiz und den Wert eines Trainerlehrgangs und letztendlich auch einer Trainerlizenz ausmachen. Ein Stückchen besser ist man als Trainer auf jeden Fall geworden und als Mensch ein bisschen reicher an Erfahrung.
Hier noch zwei Links zum Thema:
DFB-Trainerausbildung
Erfahrungsbericht zur C-Lizenz Leistungsfußball
Was sind eure Erfahrungen? Wie habt ihr Trainerlehrgänge erlebt? Habt ihr vor, eine leistungsorientierte Trainerlizenz zu machen? Oder setzt ihr lieber auf ein Selbststudium?