Manndeckung und Raumdeckung sind taktische Ansätze im Defensivverhalten einer Mannschaft. Die Anforderungen und Besonderheiten dieser Taktiken erklärt dieser Artikel. Während die Manndeckung ein eher älterer Ansatz ist, ist Raumdeckung moderner. Raumdeckung hat viel mit dem ballorientierten Fußball zu tun. Aber im modernen Fußball kommt es immer mehr drauf an, die Vorteile bestimmter Taktiken zu mischen und situativ richtig einzusetzen, um erfolgreich zu sein. Deshalb gibt es momentan auch sinnvolle Mischformen zwischen Manndeckung und Raumdeckung. Mehr dazu lest ihr unten.
Inhalt
Manndeckung im Fußball – 1 gegen 1
Bei der Manndeckung ist das Defensivspiel der eigenen Mannschaft darauf ausgerichtet, dass jeder Spieler einen direkten Gegenspieler hat. Er ist dafür verantwortlich, ihn im 1 gegen 1 zu bekämpfen. Um dabei erfolgreich zu sein, müssen die eigenen Spieler jeweils individuell stärker sein als ihre Gegenspieler. In den meisten Fällen spielt man so, dass insbesondere die Mittelfeldspieler und Verteidiger einem Gegner zugeordnet werden. Bei den Stürmern ist das seltener der Fall, mit Ausnahme bei Standardsituationen.
Manndecker müssen gut ausgebildet sein: Obwohl das Grundprinzip der Manndeckung sehr einfach ist (1 gegen 1), müssen die Manndecker ständig viele kleine Entscheidungen treffen: Wie nah bin ich dran? Wann lasse ich meinen Mann laufen, um in den Zweikampf zu gehen? Wie weit verfolge ich ihn? Wo lasse ich ihm mehr Raum, wo weniger? Das sorgt dafür, dass man für Manndeckung neben der Zweikampfstärke auch eine gute Auffassungsgabe und Antizipationsfähigkeit braucht.
Früher wurde häufig so gespielt, dass einzelne Spieler ihre Positionen verließen, um ihren Gegenspieler zu verfolgen. Daraus ergab sich das Problem (wie heute beispielsweise auch bei der Viererkette, wenn Gegner verfolgt werden, d.h. Verteidiger herausrücken), dass der Gegner Räume freiziehen konnte für seine Mitspieler. Hinzu kommt, dass es immer wieder Zuordnungsprobleme gibt, wenn Gegner sich diagonal in der Schnittstelle bewegen: „Ist der vordere oder hintere Spieler zuständig, der linke oder der rechte?“
Unter anderem aus diesem Grund wurde das Verfolgen durch das System des Übergebens von Gegenspielern ersetzt: Verlässt ein Gegner den direkten Zugriffsraum eines Verteidigers “übergibt” er ihn per Kommando/Rufen an einen Mitspieler. Dieser ist dann für die weitere Bewachung verantwortlich. Das kann von den Angreifern ausgenutzt werden, indem sie Räume absichtlich überladen, d.h. hier mehr Spieler platzieren.
Die Manndeckung wird normalerweise innerhalb der eigenen Hälfte gespielt, in besonderen Situationen, zum Beispiel wenn man die gegnerische Mannschaft früh beim Spielaufbau stören möchte, auch schon ab der Mitte der gegnerische Hälfte. Je näher der Gegner ans eigene Tor kommt, desto enger werden seine Spieler gedeckt.
Manndeckung kann – konsequent gespielt – sinnvoll sein: Hat man gute Zweikämpfer, die dem Gegner läuferisch und körperlich überlegen sind, kann man damit erfolgreich sein. Das enge Markieren bedeutet eine Schwierigkeit für gute Offensivspieler, die so keinen Raum haben, um ihre spielerische Stärke zu entfalten. Dazu trägt auch der oft harte körperliche Einsatz guter Manndecker bei.
Allerdings beraubt man die eigene Mannschaft unter Umständen ihrer Stärke, weil man Spieler zu reinen Manndeckern mit einen starken Schwerpunkt auf Defensivaufgaben degradiert.
Raumdeckung im Fußball
Raumdeckung basiert darauf, die Räume in der Nähe des Balles zu verdichten und dadurch den Spielraum für den Gegner zu reduzieren.
Bei der Raumdeckung in der Defensive ist das Ziel, den torgefährlichen Raum und Spielräume für die Gegner so zu verengen, dass gegnerische Torchancen vereitelt und Ballgewinne provoziert werden. Dabei verschieben die Spieler in einem kompakten Verbund mit kurzen Abständen zueinander. Sie orientieren sich an der Position des Balles und der Gegenspieler. Eine besondere Form der Raumdeckung ist das Pressing, bei dem es darum geht, durch aggressives Attackieren den Ball vom Gegner zu gewinnen.
Welche Räume verengt werden und wo attackiert wird, ist abhängig vom eigenen Spielsystem und dem des Gegners. Zudem werden diese Entscheidungen auch von individuellen Stärken gegnerischer Spieler und der eigenen Mannschaft beeinflusst, sowie von Spielstand und -situation. Liegt man zurück und ist nicht mehr lange zu spielen, wird man höchstwahrscheinlich weiter vorne attackieren, als wenn man in Führung liegt.
Hybride Systeme (Mischung aus Manndeckung und Raumdeckung)
Eine Mischung aus Raumdeckung und Manndeckung findet man im modernen Fußball immer wieder. Eine grundlegend auf Raumdeckung ausgelegte Spielweise wird durch Elemente der Manndeckung ergänzt. Z. B. agieren viele Mannschaften in einer Raumdeckung, markieren dann aber einzelne Spieler sehr eng. Dazu empfehlen sich Spielsysteme mit mindestens zwei defensiven zentralen Mittelfeldspielern.
Außerdem ist es möglich, die Raumdeckung durch eine sehr starke Orientierung auf die Gegenspieler im eigenen Raum in gewisser Weise aufzuweichen. Einzelne Spieler verlassen die Formation und spielen “gegen den Mann”. Die Aufgabe ist es oft, beispielsweise torgefährliche Aktionen eines offensiven gegnerischen Mittelfeldspielers zu verhindern. Eine solche Spielweise half etwa der Schweiz bei der WM 2018, gegen Brasilien ein 1:1-Unentschieden zu erkämpfen: Valon Behrami spielte eng und aggressiv gegen Neymar, wodurch dieser nicht wie gewohnt zur Entfaltung kam.
Eine weitere Mischform ist es, Manndeckung nur in bestimmten Zonen des Spielfeldes zu spielen, wenn Gegner diese betreten. Die eigenen Verteidiger orientieren sich zunächst im Raum, um dann den Spieler, der ihre Zone betritt, eng zu markieren und anzugreifen. Genau betrachtet besteht im Verhalten und der Wirkung kaum ein Unterschied zur Raumdeckung mit aggressivem Pressing. Hier attackiert auch der ballnächste Spieler den Gegner aggressiv.
Viele Mannschaften spielen außerdem in besonderen Spielsituationen Manndeckung, etwa bei Standardsituationen oder wenn der Gegenspieler im eigenen Strafraum ist. Hier muss der Verteidiger eng an seinem Gegner sein, damit dieser keine Möglichkeit zum Torabschluss hat. Grundsätzlich gilt die Regel: “Je näher am Tor, desto enger die Deckung.”
Training von Manndeckung und Raumdeckung
Die Verhaltensweisen bei der Manndeckung sind eine Mischung aus gutem individualtaktischem Verhalten und Zweikampfstärke, die man sich in vielen 1 gegen 1-Situationen im Training erarbeiten kann. Schnelligkeit, Wendigkeit und ausreichend Kraft und eine schnelle Reaktionsfähigkeit auf Bewegungen des Gegners sind die körperlichen und mentalen Voraussetzungen.
Auch Übungsformen in Gleichzahl, bei denen es darum geht, den Ball in den eigenen Reihen zu halten und so viele Kontakte wie möglich zu machen, lassen sich gut nutzen: Jedem Spieler wird ein fester Gegenspieler zugeordnet, gegen den er spielen soll. So gewöhnen sich die Spieler an das enge Orientieren am Gegner.
In Spielformen mit positionsgerechter Aufstellung (Angriff gegen Abwehr) automatisieren die Verteidiger die richtigen Entscheidungen und Verhaltensweisen. Dazu gehört beispielsweise, wann und wo ein Gegenspieler übergeben wird und mit welchem Kommando.
Alles, was für die Raumdeckung wichtig ist, erarbeitet man in verschiedenen Spielformen von klein (2 gegen 2 für das gegenseitige Coachen und die Absicherung) bis groß (8 gegen 8 für die richtige Raumaufteilung und das Einhalten der passenden Abstände). Die Zweikampffähigkeiten und das individualtaktische Verhalten sind auch hier bedeutend, wenn auch der Fokus stärker auf dem gruppen- und mannschaftstaktischen Verhalten, dem Agieren im Team, liegt.