Da das hohe Tempo im modernen Fußball dazu führt, dass Zeit und Raum zunehmend zu Engpassfaktoren werden, kommt dem schnellen Umschalten bzw. dem Umschaltspiel entscheidende Bedeutung zu. Das gilt umso mehr, je ähnlicher die Mannschaften in ihrem Leistungsniveau sind. Will man seine Spieler optimal auf die hohen Anforderungen vorbereiten sollte die grundlegende Idee des schnellen Umschaltens früh, schon im Kinder- und Jugendtraining, in ihren Köpfen verankert werden.
Dazu kommt dann nach und nach das gezielte Taktiktraining, das den Spielern das nötige taktische Wissen vermittelt. Das schnelle Umschalten im Fußball kann man also grob in eine psychische und eine taktische Komponente unterteilen. Die psychische Komponente des Umschaltens beinhaltet die Handlungsschnelligkeit der einzelnen Spieler, ihre Aufmerksamkeit und den unbedingten Willen, schnell zwischen Abwehr und Angriff – und umgekehrt – umzuschalten.
Die Taktik des schnellen Umschaltens beinhaltet einerseits, welche Spieler bei einem Konter welche Laufwege machen und den Gegenangriff unterstützen sollen. Andererseits muss trainiert werden wie die eigenen Spieler bei einem Ballverlust zurück in die Defensivformation finden. Beide Aspekte sollten beim Training eines Spielsystems erarbeitet werden. Im Folgenden einige Anregungen und Ideen zum taktischen Training des schnellen Umschaltens.
Schnelles Umschalten von Abwehr auf Angriff (Konter-Angriff)
Hinführend bzw. zur Vorbereitung kann man Kontersituationen gruppentaktisch trainieren, d.h. mit Zahlenverhältnissen von bis zu 6 gegen 6. Beliebte Trainingsformen sind Übungen in Gleich- oder Überzahl (je nach Spielstärke), etwa 3 gegen 3 oder 4 gegen 3. Hier sollte man das Zahlenverhältnis der Spielstärke der eigenen Spieler anpassen.
Sehr gut eignen sich Formen, in denen ein bis zwei Verteidiger von hinten nachrücken und die Angreifer zusätzlich unter Druck setzen. Will man den Angreifern zusätzlich Zeit verschaffen, hält man die Verteidiger kurz zurück oder lässt sie vor dem Nachrücken eine Lauf- oder Technikaufgabe absolvieren.
Im mannschaftstaktischen Training arbeitet man (fast) immer in großen Spielformen. Aus dem eigenen und vorgegebenen gegnerischen Spielsystem heraus erarbeitet man dann die gewünschten Verhaltensweisen, immer auch mit Blick auf die individuellen Stärken und Schwächen der eigenen Spieler. Ganz wichtig ist hierbei, dass man wettspielgemäß trainiert, d.h. die Positionen, Abstände und Laufwege sollten ziemlich exakt den realen Situationen im Spiel entsprechen.
Hilfsmittel für das Training: gelenkter Ballverlust
Dazu gibt es die schöne Möglichkeit des „gelenkten Ballverlustes“. Man spielt eine Situation bis zu einer bestimmten vorgegebenen Stelle normal durch, an der dann der Ballverlust entsteht, in dessen Folge das schnelle Umschalten stattfindet. Diesen lässt man aber aus der Spielsituation heraus entstehen, weil die verteidigende Mannschaft weiß, welcher Ball als nächstes gespielt wird.
Beispiel: die verteidigende Mannschaft spielt Mittelfeldpressing, erster Ball nach Außen gelenkt, zweiter Ball nach Innen gelenkt. Die Angreifer spielen ganz normal, haben aber die Vorgabe, den Ball nach Innen auch dann zu spielen, wenn der Mitspieler markiert ist.
Daraus entsteht eine (fast) realistische Ballverlustsituation, aus der man nun seine Coachingarbeit entwickeln kann (siehe Grafik).Im Beispiel „gewinnt“ Nr. 6 (weiß) den Ball und startet mit einem Tempodribbling zusammen mit 7, 9, 10 und ggf. 11 den Gegenangriff. Hier gilt es nun, die entsprechenden Lauf- und Passwege und Verhaltensweisen zu erarbeiten (Entscheidungstraining).
Schnelles Umschalten nach Ballverlust: Zusatzregeln nutzen, vor allem im gruppentaktischen Training
Hier geht es vorrangig darum, schnelle Konter des Gegners nach eigenem Ballverlust zu verhindern und die eigene Mannschaft so schnell wie möglich wieder in die Defensivformation zu bringen. Dazu benötigt man vorrangig Zeit und ein hohes Tempo beim Umschalten. Ein zusätzliches Ziel kann es sein, den Ball möglichst weit in der gegnerischen Hälfte wieder zu gewinnen (siehe Gegenpressing). Beim Umschalten von Angriff auf Abwehr im gruppentaktischen Training kann man seine Trainingsformen mit weiteren Regelergänzungen so gestalten, dass das gewünschte Verhalten nach Ballverlust zusätzlich provoziert wird:
- Tore zählen doppelt, wenn noch Spieler in der gegnerischen Hälfte sind
- Zeitvorgabe, wann Spieler wieder hinter dem Ball sein müssen (je nach Größe der Spielform), z. B. 5 Sekunden
- Sprintwettlauf bei Ballverlust einbauen (auf Grundlinie oder Mittellinie, je nach Spielfeld)
- bei Ballverlust bestimmte vorgegebene Räume im Sprint erreichen
Möchte man vornehmlich die Laufwege in die Defensive erarbeiten, nutzt man auch hier den gelenkten Ballverlust, um eine passende Ausgangssituation herzustellen.
Gegenpressing oder Fallenlassen?
Ein schwierige Entscheidung ist im Fall eines Ballverlustes, ob die Mannschaft gegenpressen oder zurückfallen soll. Das ist abhängig von verschiedenen Merkmalen der Spielsituation, nämlich unter anderem dem Ort des Geschehens, Druck auf dem Ballbesitzer und der Blickrichtung des Ballbesitzers. Ralf Peter empfiehlt in seinem Buch „Verteidigen mit System: Von der Spielanalyse bis zur Trainingsform“ gegenzupressen, wenn
- man im letzten Spielfelddrittel ist
- der Gegner unter Druck ist und
- der Gegner mit dem Rücken zum Tor steht
Einige Mannschaften stellen das Gegenpressing ins Zentraum ihrer Defensivtaktik. Hier ein interessanter Artikel dazu von Spielverlagerung.de: Unterschiede und Deckungsarten im Gegenpressing.
Beim Gegenpressing stellt sich, da man ja relativ weit in der gegnerischen Hälfte den Raum verengen muss, immer die Frage, welche Räume/Gegner man unverteidigt lassen will, d. h. welches Risiko man eingehen möchten. Beispielsweise können hierzu die Abstände zwischen den Linien vergrößert werden (Gefahr von Räumen für gegnerisches Passspiel) oder eine Seite extrem freigelassen werden (Gefahr einer weiten Spielverlagerung). Der Erfolg der Situation hängt einzig davon ab, ob es gelingt, den Gegner zunächst im engen Raum zu halten bzw. zu einer gewünschten Aktion (z. B. vorausgeahnter Pass) herauszufordern und den Ball dann aktiv zu gewinnen.
Ich würde persönlich die Möglichkeit des falschen Gegenpressings und damit eine sehr sicherheitsorientierte Variante bevorzugen: ein oder zwei Spieler versuchen den Gegner durch geschicktes Anlaufen zu einem Rück- oder Querpass zu zwingen, der Rest schaltet schnell um und lässt sich zurückfallen in eine kompakte Abwehrformation.