Dieser Artikel ergänzt die Ausführungen zur Viererkette, die ich im Artikel „Viererkette: Abstände, Formation und Bewegungen“ gemacht habe. Irgendwann wird sich hier im Blog ein stimmiges Gesamtbild zum Thema Viererkette ergeben. Weitere Leseempfehlung zum Thema Viererkette: www.abwehrkette.de
Früher galt für Verteidiger fast ausnahmslos die eiserne Regel „Immer zwischen Tor und Gegner stehen“. Der Grundgedanke war dabei, dass der Gegner bei einem Pass oder Ballbesitz nicht direkt zum Tor durchbrechen konnte. Hauptziel war die Sicherung des eigenen Tores durch die Verteidiger. Inzwischen hat der Fußball aber eine enorme Entwicklung in Richtung Ballgewinn als oberstes Ziel genommen und einige Dinge haben sich im Abwehrverhalten mit Raumdeckung verändert. Deshalb muss die Viererkette bzw. Abwehrkette anders spielen.
Viererkette: Näher zum Tor oder näher am Passweg?
Will der Verteidiger (meistens der Innenverteidiger) den Pass auf seinen Gegenspieler abfangen, so kann er dies nur, wenn er nicht genau hinter ihm, sondern leicht überlappend steht. Dazu wird der alte Grundsatz „immer zwischen Tor und Gegner stehen“ aufgeweicht. Der Verteidiger eröffnet sich so die Chance, den Pass auf seinen Gegner direkt zu attackieren und so nicht nur das Tor zu sichern, sondern schnell umschalten zu können.
Mehr Ballgewinne, mehr schnelles Umschalten
Wenn man reaktionsschnelle Verteidiger in der Viererkette hat, die sehr geschickt überlappend spielen und viele Ballgewinne ermöglichen (aktuelles Beispiel: Mats Hummels), dann kann das defensive Mittelfeld ggf. etwas höher agieren und mehr Druck auf den Gegner ausüben. Denn das Doppeln zwischen dem Innenverteidiger, der den Gegner lediglich stellt und dem nach Hinten agierenden Mittelfeldspieler wird vielleicht seltener nötig sein. Dazu kommt eine größere Anzahl an Konterchancen.
Abstimmung zwischen Viererkette und Mittelfeld
Das überlappend Decken ist allerdings nur sinnvoll, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:
- es muss eine Absicherung durch den zweiten Innenverteidiger der Viererkette vorhanden sein.
- der Passweg in die Tiefe muss auf einer Seite zugestellt sein (siehe Grafik). Das geschieht meist durch die vor der Kette agierenden Mittelfeldspieler.
Das heißt, die Abstimmung zwischen dem Mittelfeldspieler und dem dahinter spielenden Viererkette muss exakt passen, Stichwort „Kommunikation“.
Im Fehlerbild (nur einer von 1.000 möglichen Fehlern) sieht man, dass der Stürmer (9) bei einem präzisen Pass durch die Schnittstelle in der Viererkette in die Tiefe starten könnte, indem er den Passweg (b) freiblockt. Es besteht Torgefahr, obwohl der Innenverteidiger näher zum Tor steht. Der Mittelfeldspieler hat den Pass in die Lücke zwischen den Innenverteidigern (a) gut zugestellt. Der Außenverteidiger (2) ist in einer schwierigen Situation, weil er sich zwischen Einrücken und Spekulieren auf einen Pass nach Außen entscheiden muss.
Das Bild zum richtigen Deckungsverhalten zeigt, dass, wenn der Pass nach Innen zugestellt ist, der Innenverteidiger (4) den Pass direkt abfangen kann, falls er überlappend steht. Obwohl der Stürmer ggf. näher zum Tor steht, ist die Torgefahr geringer, da der Pass in die Tiefe durch die abgestimmten Deckung von Mittelfeldspieler und Viererkette abgefangen werden kann.
Das überlappend Stehen bzw. Decken hat natürlich insbesondere auch für das Mittelfeld Bedeutung, wenn man ballorientiert und Pressing spielt. Bei allen Pressingarten müssen die Mittelfeldspieler und Verteidiger gut aufeinander abgestimmt und überlappend stehen, um den Ball direkt zu gewinnen, will man nicht nur auf Torsicherung spielen.