Wenn man sich im Kinderfußball in der F-Jugend und E-Jugend (und im Jugendfußball) mit seiner Trainingsplanung auseinandersetzt, kann man sich viel vom Straßenfußball abschauen. Vor allem technische und individualtaktische Inhalte sowie soziale Faktoren lassen sich sehr gut in Übungen bzw. im Training abbilden. Straßenfußball ist dabei alles, was außerhalb organisatorischen Rahmens abläuft, sei es auf dem Bolzplatz, auf dem Spielplatz, auf einer Wiese oder im Hinterhof.
Kinderfußball braucht Kreativität und Zweikämpfe
Das Hauptmerkmal des Straßenfußballs ist, dass die Regeln in einem mehr oder minder demokratischen Prozess („der Stärkste entscheidet“) situativ festgelegt und immer wieder flexibel angepasst werden. Das erfordert bei den Kindern, vor allem in der F-Jugend und E-Jugend Anpassungsfähigkeit und Kreativität. Straßenfußballer haben Durchsetzungsfähigkeit, Ideenreichtum und die Fähigkeit, gute Lösungen für Spielsituationen zu finden.
Herausragendes Merkmal und gleichzeitig wichtigstes Trainingsziel im Kinderfußball ist aber ein gutes 1 gegen 1. Das fehlt vielen, auch sehr talentierten Kindern. Im Kinderfußball an diesen Dingen zu arbeiten, ist nicht schwierig. Man muss sich nur entscheiden, nicht zu sehr an das große Spiel zu denken.
Übungen und Trainingsbedingungen wie im Straßenfußball: klein und ständig neu
Viele Elemente des Straßenfußballs lassen sich unter Trainingsbedingungen nutzen, um die Kinder besser zu machen. DIe wichtigsten Steuerungsgrößen finden sich hier:
- unterschiedliche Spielfeldgrößen (Hof, Käfig, Bolzplatz, Fußballplatz)
- variable Anzahl der Spieler (1:1 – n:m) in Spielformen, häufig aber kleine Teams
- häufige Positionswechsel, auch auf der Torwartposition, z. B. nach jedem Gegentor o. ä.
- verschiedene Tore (Hütchen, Linien, Handballtore, Rucksäcke, Minitore, …)
- verschiedene Bälle (z.B. Tennisball, Fußball, Coladose, Mini-Fußball)
- Über-/Unterzahlspiele (ergeben sich ja oft automatisch)
- wechselnde Platzverhältnisse (Beton, Hartplatz, Rasen, Kunstrasen, Sand, Wetterverhältnisse, etc.), z. B. mal mit den Kindern auf einen Bolzplatz gehen oder sie im Sand spielen lassen.
- verschiedene Altersklassen gegeneinander, das schadet Kindern gar nichts, es darf nur nicht frustrierend sein
- Sonderregeln für Einzelspieler (Tore zählen doppelt, nur mit Links, …)
Nicht zu vernachlässigen ist der ausgeprägte Erfolgsdruck im Straßenfußball, weil der Sieg in direktem Zusammenhang steht mit dem Ansehen auf der Straße oder in der Schule. Auch psychisch sind die Spieler deshalb gefordert. Sie benötigen Nervenstärke, Stressresistenz, Konzentrationsfähigkeit und Entscheidungsschnelligkeit, v. a. wenn sie gegen ältere Gegner spielen. Auch das kann man im Kindertraining einbauen, indem man die Verlierermannschaft z. B. den Platz abräumen lässt.
Die Ausdauerbelastung beim Straßenfußball ist sehr unterschiedlich, abhängig von Spieleranzahl, Pausen und anderen Rahmenbedingungen (Wetter, Untergrund) beim eigentlichen Spiel aber eher hoch. Im Grunde handelt es sich um eine intensive bis extensive Intervallbelastung, sehr dem Hallenfußball ähnlich. Sehr wichtig ist hier die Schnelligkeit, insbesondere die Antrittsschnelligkeit und Wendigkeit der Kinder. Denn nicht immer setzen sich hier die Größten durch (was auch dem kleinen Feld zu verdanken ist).
Im Jugendtraining reicht Straßenfußball nicht mehr aus
Wenn man sich nun die Anforderungen und Bedingungen oben anschaut, dann könnte man fast meinen, der Straßenfußball produziere fertige Profis. Nun, dazu drei Dinge: Erstens, die wenigsten Spieler haben alle wichtigen Fähigkeiten. Zweitens, dazu kommt die Tatsache, dass immer weniger auf der Straße gekickt wird. Nicht umsonst gibt es auch vom DFB Bestrebungen, um Straßenfußball wieder attraktiv zu machen. Und drittens, ohne eine ganze Reihe weiterer Fähigkeiten wie taktisches Geschick, Disziplin, die richtige Einstellung zum Sport, bewusste Lebensführung und vieles mehr, wird ein Spieler auf Topniveau nicht erfolgreich sein. Damit ist er auf eine gezielte und ganzheitliche persönliche und fußballerische Förderung angewiesen.
Im Jugendfußball reicht Straßenfußball nicht mehr aus. Aber trotzdem sollte man ihn gerade in der Junioren-Ausbildung ins Fußballtraining einfließen lassen. Kindertraining und Jugendtraining lassen sich sehr einfach entwicklungsfördernd gestalten: Förderlich für die Entwicklung von Kindern sind Abwechslungsreichtum, gesunder Wettbewerb und angemessene Leistungsanforderungen:
Fußballtraining in kleinen Gruppen
Was man zuallererst tun kann, um auch einen gesunden Wettbewerb zu schaffen ist, oft in kleinen Gruppen gegeneinander zu spielen, und das auf möglichst engem Raum (je nach Leistungsstand). So ermöglicht man im Fußballtraining viele Ballkontakte und fördert die Flexibilität der Spieler in engen Spielsituationen unter hohem Zeit- und Gegnerdruck. Zusätzlich kann man die Motivation steigern, wenn man immer wieder kleine Turniere ins Fußballtraining einbaut. Dabei kann man auch sehr gut verschiedene Altersklassen mit- und gegeneinander spielen lassen, was insbesondere für die „Kleinen“ sehr motivierend sein kann.
Straßenfußball mit unterschiedlichen Bällen und Toren
Spielen Sie mit unterschiedlichen Bällen, damit die Spieler ihre Technik verfeinern und weiterentwickeln können. Warum nicht einmal mit Minifußbällen oder Tennisbällen auf kleine Tore spielen? Das macht Spaß und fordert die Spieler, weil es eine ungewohnte Situation für sie ist. Wenn Sie etwas für die Eigenständigkeit und Initiative Ihrer Spieler tun wollen, dann lassen Sie sie immer wieder auch selbst die Spielregeln festlegen bzw. eigene Regelvorschläge einbringen.
Trainieren in wechselnden Räumen
Das Spielen auf verschiedenen Spielfeldern kann das Raumverhalten der Spieler und die Orientierungsfähgikeit verbessern. Klassisch ist ja das trainieren in Trainingsformen mit sehr kurzen, breiten Spielfeldern (Flügelspiel) und sehr schmalen, langen Spielfeldern (Spiel in die Tiefe). Aber auch der Einsatz von Tabuzonen (auf dem Bolzplatz durch tiefe Pfützen repräsentiert ;-)) kann sich sehr positiv auswirken. Wichtig: dennoch im Fußballtraining nicht zu weit weg vom Wettspiel trainieren (spielgemäßes Fußballtraining).
Viel freies Spielen im Kinderfußball und Jugendfußball
Wenn der Charakter der Mannschaft es hergibt, könnt ihr sie im Fußballtraining oft selbstständig frei spielen lassen. Mit einer B-Junioren-Mannschaft habe ich damit sehr gute Erfahrungen gemacht, die Spieler haben sich bis zum Äußersten (natürlich sportlich fair) gegenseitig gefordert. Hier musste ich im Bezug auf Tempo und Intensität kaum eingreifen. Aber man kann hier auch Pech haben, wenn die Mannschaft sich nicht selbst motivieren kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei aller Planung und akribischen Vorbereitung des Fußballtraining folgende Aspekte des Straßenfußballs durchaus wichtig für die Entwicklung der Spieler sein können:
- selbstorganisiertes freies Spielen in kleinen Gruppen, v. a. im Kinderfußball
- Trainieren in unterschiedlichen, wechselnden Räumen
- das Herausfordern der Spieler durch neue technische Anforderungen (neue Bälle)
- neue, anspruchsvolle Gegner (ältere/jüngere Spieler)
Welche Rolle spielt das freie Spielen in eurem Training? Habt ihr es lieber gut organisiert, oder werft ihr auch einfach mal einen Ball rein?
Ich finde Uwe spricht viele richtige Punkte an – es droht sowohl im Fußball wie auch im Handball, dass alle Spieler die gleichen Denkmuster und Verhaltensweisen haben. Die Kreativität und der Mut Verantwortung zu übernehmen, auch mal gegen den Strom zu schwimmen. Das sind letztlich die Spieler die den Unterschied ausmachen.
Eben das fördert auch freies Spielen, das deshalb auch immer in das Training eingebaut werden muss. So kann sich Kreativität erst entwickeln und auch der große Schritt von Theorie und Praxis ohne Druckbedingung, zu Anwendung im Spiel.
Ich denke, es ist ungemein wichtig, dass die Kinder früh lernen, dass der Trainer von draußen nicht alles bestimmen und regeln kann, sondern sie selbst auf dem Platz Verantwortung für das Geschehen übernehmen müssen. Wir wollen kreative Spieler ausbilden, die eigenständig auf dem Platz situativ agieren und reagieren und keine fremdgesteuerten Spielroboter. Für mich gehören Dinge wie freies Spiel oder häufiges Wechseln von Positionen und Aufgaben dazu. Nur wenn ein Spieler wirklich alle Positionen spielt, kennt er sie und kann auf dem Platz gute Entscheidungen treffen.
Ein ganz wichtiger Aspekt neben all der Vielseitigkeit ist aber das mentale Training. Ich animiere meine jungen Spieler (E-Jugend/D-Jugend) immer wieder dazu, Mut zu zeigen, Entscheidungen zu treffen, etwas zu riskieren und auch Verantwortung zu übernehmen für das, was auf dem Feld passiert (oder unterlassen wird). Läuft etwas schief, sprechen wir es offen an, vermeiden aber jede Herabwürdigung. Vielmehr erarbeiten wir gemeinsam eine bessere Strategie, um für das nächste Mal gewappnet zu sein. Meine Spieler wissen, dass ich ihnen nicht den Kopf abreiße, wenn sie Fehler machen. Fehler sind sehr wichtig für einen Lernerfolg. Leider haben wir in Deutschland eine Kultur entwickelt, in der Fehler etwas ganz furchtbares sind, etwas dass man unbedingt vermeiden sollte. Das sorgt letztlich aber nur dafür, dass die jungen Spieler weniger Mut und Selbstvertrauen haben. Völlig kontraproduktiv…
Gerade im Kinderbereich müssen wir weg vom ergebnisorientierten Training und Spiel und hin zu nachhaltiger Ausbildung, die das „big picture“ im Fokus hat und nicht den nächsten Staffelsieg. Erreichen unsere Spieler einmal die C, B oder A-Jugend, werden sie darauf viel besser vorbereitet sein und wir werden weniger Spieler verlieren, die aus Frust aufhören!
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